Rekowagen in Potsdam

Mit den sogenannten Rekowagen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) kamen ab 1972 Fahrzeuge nach Potsdam, die in der ganzen Republik gefürchtet waren. Zahlreiche Städte konnten sich nicht wehren und auch Potsdam hatte das zweifelhafte Glück.

Fahrzeuggeschichte

Das Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) in Berlin-Schöneweide und die Waggonfabrik Gotha übernahmen zwischen 1959 und 1975 die Rekonstruktion von Dutzenden Vorkriegszweiachsern für die Verkehrsbetriebe der Hauptstadt der DDR (BVB). Lediglich das äußere Erscheinungsbild erinnert an die Gothawagen. Im Aufbau unterscheiden sich die Wagen allerdings erheblich.

 

Größter Materiallieferant für die Rekowagen war die Berliner Großserie T24/B24, die zwischen 1924 und 1926 zu je 500 Trieb- und Beiwagen gebaut wurde. Da Neubauwagen in den benötigten Massen unter den herrschenden wirtschaftlichen Vorzeichen nicht zu beschaffen waren, ließ die BVB die Wagen in der 60er und 70er Jahren “rekonstruieren”. Die Rekonstruktion entsprach allerdings vielmehr einem kompletten Neuaufbau, konnten doch nur wenige Teile des Rahmens und die Achsen weitere Verwendung finden. Die DDR umging mit der Verwendung des Wortes “Rekonstruktion” allerdings die Beschlüsse des RGW, der den Straßenbahnbau für den gesamten Ostblock in die CSSR verlegte.

 

Berühmt-berüchtigt waren die Fahreigenschaften der Fahrzeuge. Jan Gympel schreibt dazu in seinem Vorwort zum Buch “Rekowagen - Die etwas härtere Art Straßenbahn zu fahren”: “Durch [...] nahezu alle Kurven fuhren die gemächlich dahinrumpelndem Wagen weniger, als dass sie gestoßen wurden, dabei heftig scheppernd und jede Schraube einer Belastungsprobe unterziehend [...].”

Potsdamer Rekowagenzug
Zug aus Rekowagen mit Potsdamer Wappen und schwarzer (Berliner) Zierleiste | (C) Robert Leichsenring

Technische Daten

Wagenkastenlänge

Wagenkastenbreite

Wagenkastenhöhe

Sitzplätze

Motorleistung

Leergewicht

10.720 mm

2.160 mm

3.260 mm

22 (Tw) und 18 (Bw))

2 * 60 kW

13.3 t (Tw) und 9.2 t (Bw)


Fahrzeugaufbau

Bei dem Fahrzeug handelt es sich um zweiachsige Einrichtungswagen, die in ihrem Äußeren den Gothwawagen ähnlich sind. Die augenscheinlichsten Unterschiede sind die vier an Stelle von drei Seitenfenstern und die einteilige Schiebetür. Die Türen müssen vom Fahrgast handgeöffnet werden, können aber vom Fahrer automatisch wieder geschlossen werden. Auch sind die Wagen 14 cm höher als ihre Kollegen aus Gotha.

 

Der Verzicht auf jegliche Art von technischer Raffinesse und Komfort machte die Wagen auf der einen Seite fast unverwüstlich auf der anderen jedoch unbeliebt bei Fahrgästen, Personal und auch bei der Gleisbauabteilung..

Rekowagen in Potsdam

Die ersten Rekowagen bekam Potsdam zum Jahreswechsel 1972/72. Sehnlichst erwartete man hier Tatrawagen, die Hoffnungen wurden jedoch immer wieder enttäuscht. Bei den aus Berlin übernommen zwölf Fahrzeugen handelte es sich um Beiwagen des Typs BE 59/1, die zwischen 1960 und 1964 aus B24 der Baujahre 1924 und 1925 rekonstruiert worden waren. Eigentlich als Leihgabe gedacht, blieben die Wagen in Potsdam, standen sie doch zur HU an und wurden in Berlin nicht mehr benötigt. Acht der Wagen erhielten eine neue Lackierung und Potsdamer Nummern (401-408, erst wieder für die Combinos verwendet), die anderen vier Wagen blieben unverändert. Die umlackierten Wagen standen bis 1978 im Einsatz, die Wagen mit Berliner Nummern wurden bereits 1976 verschrottet.

 

Damit war das Kapitel der “Knochenbrecher” und “Gleistöter” allerdings noch lange nicht beendet. Auch in den 80er Jahren setzte sich der Wagenmangel in Potsdam fort. Trotz erster Lieferungen von Tatra-Wagen, musste auch 1985 wieder auf Altmaterial aus Berlin zurückgegriffen werden. Die BVB überließ dem Potsdamer Verkehrsbetrieb großzügigerweise drei Dreiwagenzüge (die HU stand wieder vor der Tür) und je zwei Trieb- und Beiwagen als “Ersatzteilspender”. Teile spenden konnten die Rostlauben allerdings kaum noch.

 

Die drei Züge wurden in den verbliebenen Resten der Berliner Lackierung und Potsdamer Nummern und Wappen auf die Strecke geschickt. Die Triebwagen bekamen die Nummern 160 - 162, die Beiwagen ordneten sich unter 272 - 277 in das Potsdamer Schema ein. Während 273 als Aufenthaltsraum noch bis Juli 1990 als Aufenthaltsraum an der Glienicker Brücke überdauerte, wurden die anderen Wagen 1989 (272 erst 1991) verschrottet.

Bildergalerie

Fahrzeugliste Triebwagen

Nr. Typ Baujahr Bemerkung
       
160 TE59 1962 1985 ex Berlin 217 140, 1989 verschrottet
161 TE59 1962 1985 ex Berlin 217 144, 1989 verschrottet
162 TE59 1962 1985 ex Berlin 217 145, 1989 verschrottet
o. Nr. TE63 1964 1985 ex Berlin 217 213, kein Einsatz, 1989 verschrottet
o. Nr. TE63 1964 1985 ex Berlin 217 217, kein Einsatz, 1989 verschrottet
       

Fahrzeugliste Beiwagen

Nr. Typ Baujahr Bemerkung
       
272 BE59 1960 1985 ex Berlin 267 001, 1991 verschrottet
273 BE59 1960 1985 ex Berlin 267 010, ab ? Aufenthaltsraum Gl. Brücke, 1990 verschrottet
274 BE59 1960 1985 ex Berlin 267 013, 1989 verschrottet
275 BE59 1960 1985 ex Berlin 267 018, 1989 verschrottet
276 BE59 1960 1985 ex Berlin 267 017, 1989 verschrottet
277 BE59 1960 1985 ex Berlin 267 016, 1990 verschrottet
o. Nr. BE59 1960 1985 ex Berlin 267 012, kein Einsatz, 1989 verschrottet
o. Nr. BE59 1960 1985 ex Berlin 267 019, kein Einsatz, 1989 verschrottet
401 BE59 1961 1973 ex Berlin 267 080, 1978 verschrottet
402 BE59 1961 1972 ex Berlin 267 091, 1978 verschrottet
403 BE59 1961 1973 ex Berlin 267 095, 1978 verschrottet
404 BE59 1961 1973 ex Berlin 267 092, 1978 verschrottet
405 BE59 1961 1973 ex Berlin 267 094, 1978 verschrottet
406 BE59 1961 1973 ex Berlin 267 093, 1978 verschrottet
407 BE59 1961 1973 ex Berlin 267 083, 1978 verschrottet
408 BE59 1961 1973 ex Berlin 267 097, 1978 verschrottet
o. Nr. BE59 1961 1973 ex Berlin 267 081, 1973 verschrottet
o. Nr. BE59 1961 1972 ex Berlin 267 082, 1973 verschrottet
o. Nr. BE59 1961 1972 ex Berlin 267 090, 1973 verschrottet
o. Nr. BE59 1961 1972 ex Berlin 267 096, 1973 verschrottet
o. Nr. BE64 1966 1987 ex Berlin 267 449, kein Einsatz, 1989 verschrottet